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Blockchain für die Immobilienwirtschaft

Das Thema Blockchain wird seit einigen Jahren intensiv diskutiert. Auf vielen Kongressen wird der Blockchain ein nahezu magisches „disruptives“ Potenzial nachgesagt.

  • Sebastian Wolf
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Einige sagen sogar „Get Ready to Rewrite Everything“.1 Andere wiederum beschreiben Blockchain-Technologie als „Hype um eine hohle Phrase“.2 Wir erklären Ihnen in einfachen Worten, was Blockchain ist und welche Bedeutung Blockchain für die Immobilienwirtschaft hat.

Blockchain verständlich erklärt

Sie werden in der Fachpresse und im Internet viele Definitionen für Blockchain finden. Gleichzeitig ist es für technische Laien sehr schwierig zu verstehen, wie Blockchain funktioniert. Das liegt daran, dass die meisten Definitionen aus einer Aneinanderreihung von Fachbegriffen bestehen und technisches Vorwissen erfordern. Wir beginnen deshalb mit den Basics. Lassen Sie uns also Blockchain für Businessmanager erklären: Blockchain beschreibt ein technisches Datenbankkonzept, wonach neue Daten gespeichert, aber nicht mehr verändert oder gelöscht werden können, sobald sie verifiziert wurden. Innerhalb dieser Datenbank werden Datensätze in Blöcken zusammengefasst. Nachfolgende Datensätze bedeuten neue Blöcke und werden an die bestehenden Blöcke angehängt. Es entsteht also eine sequenzielle Kette von Datenblöcken.

Diese zugegeben noch immer sehr technische Definition von Blockchain wird anschaulicher, wenn Sie sie aus der Perspektive einer Excel-Datei betrachten. Stellen Sie sich die Excel-Datei als Datenbank vor. Diese Datenbank besteht zunächst aus einem ersten Tabellenblatt (Block 1). Die erste Zeile des Tabellenblatts ist reserviert (dazu gleich). In der zweiten Zeile wird ein Datensatz (Datensatz 1) eingetragen. In der dritten Zeile wird ein weiterer Datensatz eingetragen (Datensatz 2). Dies wird einige Male wiederholt bis der Block ein vorgegebenes Speicherlimit erreicht hat. Aus den gesammelten Datensätzen wird in der letzten Zeile ein sogenannter Hashwert erzeugt. Es handelt sich dabei um eine Prüfsumme aus allen in dem Block gespeicherten Informationen, die mit Hilfe eines Algorithmus errechnet wird. In jedem weiteren Tabellenblatt (Block 2, Block 3, etc.) wird anschließend der Hashwert des vorherigen Tabellenblatts in die erste (reservierte) Zeile eingefügt und in der Berechnung des neuen Hashwertes berücksichtigt.

An dieser Stelle könnten Sie bereits erahnen, warum die Begeisterung für Blockchain so groß ist. Denn erst durch die Verkettung aller Blöcke mit einem Hashwert wird der Aufbau manipulationssicherer Datenbanken ermöglicht. Der Grund dafür ist einfach: Sollte der Inhalt eines Blocks (im Falle unserer Excel-Tabelle eine beliebige Zelle) manipuliert werden, so ändert sich der Hashwert des Blocks und damit stimmt die Referenz des manipulierten Blocks mit dem nachfolgenden Block nicht mehr überein. Der Hashwert als Integritätsnachweis kann also permanent validiert werden, was die Integrität der Daten gewährleistet. Damit stellt sich unweigerlich die Frage, wer die Validierung der Daten übernimmt. Dies hängt davon ab, welche Art von Blockchain zum Einsatz kommt, also welche Eigenschaften die Datenbank erfüllen soll. Im Fall einer öffentlichen Blockchain kann jeder die Daten einsehen und validieren. Auf unsere Excel-Liste übertragen hieße dies, dass diese verteilt auf vielen Rechnern liegen würde, sodass jeder auf der Welt zu jeder Zeit die Eintragungen in allen Zellen sehen und ihre Hashwerte auf Richtigkeit überprüfen könnte. Somit übernimmt die Allgemeinheit die Kontrollfunktion, die früher durch Intermediäre mittels ihrer auf zentralen Servern abgelegten Datenbanken sichergestellt wurde.

Da nicht für alle Fälle eine öffentliche Datenbank gewünscht ist bzw. sinnvoll erscheint, existieren sogenannte Konsortium Blockchains und private Blockchains. In diesen Fällen ist der Zugang zu den Daten auf eine begrenzte Anzahl von Teilnehmern (innerhalb eines Konsortiums bzw. innerhalb eines Unternehmens) beschränkt und nur ausgewählte Mitglieder können Datensätze validieren.3

Sie sehen also: „Die“ Blockchain gibt es nicht. Blockchain beschreibt vielmehr eine Art und Weise der Datenverarbeitung- und Speicherung. Für jeden Einsatzzweck ist daher vorab zu prüfen, ob der Einsatz einer Blockchain sinnvoll und welche Blockchain-Art die richtige ist.

Blockchain vs. Bitcoin

Mit Sicherheit haben Sie bereits von der Kryptowährung Bitcoin gehört. Bitcoin ist der bekannteste Anwendungsfall der Blockchain-Technologie aber bei weitem nicht der einzige. Fälschlicherweise wird Bitcoin häufig als Synonym für Blockchain verstanden. Richtig ist vielmehr, dass die Kryptowährung Bitcoin auf einer eigens definierten Art von Blockchain aufbaut, ohne die sie nicht funktionieren könnte. Das Verständnis der Bitcoin-Blockchain ist jedoch hilfreich, um die Vorteile und Einsatzmöglichkeiten von Blockchain zu verstehen. Bitcoin ist ein Netzwerk, bestehend aus einem virtuellen Zahlungssystem und einer virtuellen Geldeinheit. Im Unterschied zu konventionellen Währungen, werden Transaktionen innerhalb des Bitcoins-Netzwerks ohne Intermediäre (z. B. Banken) abgewickelt. Stattdessen erfolgen sie direkt von Teilnehmer zu Teilnehmer (Peer-to-Peer).4 Dies ist möglich, weil die Vertrauensfunktion des Intermediärs durch das Kollektiv ersetzt wird, indem das Kollektiv die Transaktionen validiert. Die Validierung der Transaktionen wird durch sogenannte Miner vorgenommen. Im Bitcoin-Netzwerk kann sich jeder Teilnehmer als Miner betätigen und an der Beglaubigung von Transaktionen mitarbeiten. Der Anreiz besteht in einer finanziellen Entlohnung. Denn nur der erste Miner, der die Transaktion korrekt validiert, erhält eine Belohnung in Form von Bitcoins.

Der disruptive Charakter der Blockchain-Technologie besteht in der Ausschaltung jeglicher Intermediäre. Denn erstmals kann durch eine Technologie und nicht durch eine (juristische) Person das notwendige Vertrauen geschaffen werden, welches für jeglichen Austausch von Werten eine grundlegende Voraussetzung ist. Diese Ausschaltung der Intermediäre macht die Transformation des Internets der Daten zum Internet der Werte möglich. Und dadurch, dass in den Blöcken (Tabellenblättern) jegliche Form von Wertaustauschen festgehalten werden kann, können durch die Blockchain-Technologie nicht nur Finanzintermediäre wie Banken übergangen werden, sondern alle denkbaren Intermediäre.

Anwendungsbereiche

Für die Blockchain sind vielfältige Anwendungsbereiche denkbar. Überwiegend wird die Blockchain-Technologie in der Finanzbranche erprobt, da sie dort die größten Effizienzgewinne verspricht. Jedes Jahr geben Banken zwischen 65–80 Milliarden Dollar pro Jahr für das sogenannte Clearing and Settlement aus. Diesen Betrag könnten sie in Zukunft einsparen.5 Außerdem werden smarte Bezahlmethoden ermöglicht, wie z. B. Kühlschränke, die Lebensmittel automatisch bestellen und bei Lieferung bezahlen.6

Auch im Energiesektor kommt Blockchain zum Einsatz. So arbeitet z. B. RWE an einem Steckdosenadapter für Elektrofahrzeuge. Der Adapter kann an jede übliche Steckdose angesteckt werden. An den Adapter wird wiederum das Fahrzeug angeschlossen. Beim Ladevorgang werden die Kosten allerdings nicht dem Besitzer der Steckdose in Rechnung gestellt, sondern dem Halter des Elektroautos. Hierzu wird in einer Blockchain vermerkt, wie viel Energie beim Ladevorgang verbraucht wurde.7

Das Supply-Chain Management der Zukunft wird in keiner Branche ohne Blockchain auskommen. Durch den Einsatz von Blockchain kann vom Rohstoff über das Produkt bis hin zum Recycling alles lückenlos dokumentiert und nachverfolgt werden. Dabei ist auch der Einsatz smarter Sensoren denkbar. So können z. B. Produkte wie Fleisch in Containern verschifft werden, sollte es zu einer Unterbrechung der Kühlkette kommen, wird dies durch Sensoren in der Blockchain festgehalten und Zahlungen werden nicht freigegeben.8

In diesem Zusammenhang wird auch von sogenannten Smart Contracts gesprochen. Es handelt sich dabei um Computerprogramme, die Verträge abbilden und die Abwicklung von Verträgen automatisieren. Hierzu wird die Einhaltung des Vertrages in Echtzeit überwacht und die Rechte der Vertragspartner automatisch durchgesetzt. Ein Beispiel für den Einsatz von Smart Contracts sind Leasingverträge. Bezahlt beispielsweise ein Kunde die Rate für sein Auto nicht, so wird der Zugang zum Fahrzeug automatisch gesperrt.9

Blockchain in der Immobilienwirtschaft

Damit stellt sich die Frage, ob die Blockchain-Technologie auch in der Immobilienwirtschaft sinnvoll eingesetzt werden kann. Denkbar wäre z. B. eine Automatisierung von Mietverträgen analog zum oben genannten Beispiel des Leasingvertrags. Zahlt ein Mieter die Miete nicht, bleibt die Wohnungstür verschlossen. Derzeitige Überlegungen scheitern bislang jedoch an den rechtlichen Rahmenbedingungen.

Ein weiteres, heute bereits mögliches Szenario ist die Automatisierung von Instandhaltung und Schadensmanagement. Feuchtigkeit in der Wand, Schimmelbildung, Mängelmeldung durch Mieter, Beauftragung einer Malerfirma, Abnahme, Zahlung und ggf. Geltendmachung von Versicherungs- und Gewährleistungsansprüchen. Was heute mehrere schnittstellenintensive Arbeitsschritte bedeutet, kann in Zukunft mit Hilfe intelligenter Wandsensoren automatisiert werden. Derartige Sensoren befinden sich derzeit in der Entwicklung und könnten dazu beitragen, kostenintensive Prozesse erheblich zu automatisieren.10Dies funktioniert zum Beispiel so: Der Sensor wird auf oder in der Wand montiert und misst permanent den Zustand der Wände, sowie die Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Diese Daten werden in der Blockchain gespeichert. Ist die Feuchtigkeit kurzzeitig zu hoch, werden die Bewohner z. B. über ihr Smartphone gebeten eine Stoßlüftung vorzunehmen oder die Öffnung eines Fensters wird automatisch veranlasst. Sollten die Werte langfristig vom Soll abweichen, so wird eine Vor-Ort Besichtigung ausgelöst. Bei Wasserschäden wird automatisch das Wasserventil geschlossen und ein Notruf ausgelöst. Kommt es zu einer erfolgreichen Reparatur, so wird diese in der Blockchain notiert. Damit kann per Smart Contract auch die Zahlung an den Dienstleister ausgelöst werden. Schließlich kann die Versicherung per Smart Contract die Zahlung an den Auftraggeber auslösen, da sie über den Sensor valide nachvollziehen kann, dass dem Auftraggeber ein Wasserschaden entstanden ist. Damit wird aus Beton ein intelligentes Bauteil, das dem Vermieter wertvolle Informationen liefert. Nicht selten kommt es mit Mietern zum Streit über Luftfeuchtigkeit, Schimmel und schwankende Temperaturen. Durch die Einbindung smarter Sensoren können die Ursachen schneller und vor allem nachweisbar identifiziert werden.

Mehrere Unternehmen beschäftigen sich außerdem derzeit mit der Frage, wie ganze Immobilientransaktionen über die Blockchain abgewickelt oder Teilprozessschritte (Ausschaltung von unterschiedlichen Intermediären) mittels dieser optimiert werden können. Hierzu zählen zum Beispiel chromaway.com, rexmls.com und ubitquity.io. Sollten diese Projekte erfolgreich sein, wäre dies nochmal ein deutlicher Entwicklungssprung zu bestehenden Plattformlösungen. Beispielsweise erlaubt die australische Plattform pexa.com.au bereits einen nahezu papierlosen Immobilientransfer. Allerdings ist sie stark zulassungsbeschränkt, sodass nur die üblichen Intermediäre wie Anwälte, Notare und Finanzinstitutionen Zugang zu diesem System haben. Disruptive Änderungen im Prozess einer Immobilientransaktion sind so – anders als mit der Blockchain-Technologie – nicht zu erreichen.

Blockchain in meinem Unternehmen

Sollten Sie nun mit dem Gedanken spielen, Blockchain-Technologie auch in Ihrem Unternehmen einzusetzen, so haben wir ein paar Hinweise zusammengestellt. Eine pauschale Aussage pro oder contra Blockchain in der Immobilienwirtschaft verbietet sich. Ob Sie in Ihrem Unternehmen Blockchain einsetzen sollten oder nicht, hängt von den konkreten Einsatzszenarien ab. Benötigen Sie eine Datenbank? Genügt es, wenn Sie die Datenhoheit haben? Sollen damit Zahlungen abgewickelt werden? Diese und weitere Fragen sind vorab zu beantworten, wenn Sie die Umsetzung neuer technischer Lösungen planen. Durch den Einsatz von Blockchain können sodann erhebliche Mehrwerte geschaffen werden. Dabei ist auch eine visionäre Perspektive hilfreich. Gegenwärtig verfügen nur wenige Unternehmen über eine detaillierte Erfassung aller Bauteile in ihrem Bestand. Dies wird sich in Zukunft ändern, auch weil BIM immer stärker durch die Politik forciert wird. Warum also nicht von vornherein über zukunftsweisende Lösungen nachdenken? Die folgende Grafik kann Ihnen bei einer dezidierten Analyse helfen herauszufinden, ob der Einsatz einer Blockchain generell vorteilhaft sein kann und welche Ausprägungsart, eine öffentliche, eine hybride oder eine private Blockchain, eingesetzt werden sollte.

Übertragen auf unser Beispiel mit den Wandsensoren bedeutet das Folgendes: Soll die intelligente Wand ausschließlich mit dem zuständigen Betreuer (bei Standardfällen) oder dem unternehmenseigenen Techniker (bei komplexeren Maßnahmen) kommunizieren, wenn sie den entsprechenden Kommunikationsbedarf ermittelt? Dann kann eine private, also eine unternehmensinterne Blockchain eingesetzt werden. Mittels dieser Ausprägungsart kann ein vertrauenswürdiges Ticketsystem nachempfunden werden bei gleichzeitiger Anbindung von intelligenten Gegenständen.11

Soll die intelligente Wand hingegen ihre Möglichkeiten vollständig ausspielen können, wäre zumindest eine Einbindung in eine hybriden Blockchain (Konsortium Blockchain) notwendig, an die auch die Handwerker bzw. Versicherungsunternehmen angebunden sind. Denn nur hierdurch ist eine automatisierte Kommunikation mit diesen möglich.

Soll eine offene Plattform geschaffen werden, die in ihren Einsatzmöglichkeiten wachsen kann und nicht im Teilnehmerkreis beschränkt ist oder in der die Öffentlichkeit als Kontrollorgan sicherstellen soll, dass keine der teilnehmenden Parteien eine Monopolstellung in der Blockchain erlangen kann, dann würde eine öffentliche Blockchain die optimale Lösung darstellen.

Fazit & Ausblick

Blockchain könnte in der Tat zu einem Gamechanger in der Immobilienbranche werden. Transaktionen, Nebenkostenabrechnungen, Vermietung. In fast jedem Bereich ist der Einsatz von Blockchain denkbar. Derzeit bleibt es aber weitestgehend bei Gedankenspielen. Entscheidend wird sein, ob in Zukunft sinnvolle Einsatzmöglichkeiten gefunden werden, die auch rechtlich umsetzbar sind. Auf der anderen Seite sollte die Real Estate Branche kreativ werden und sich proaktiv Gedanken über mögliche Einsatzszenarien machen. Die Politik beschäftigt sich bereits seit längerer Zeit mit Blockchain und überlegt, welche Rahmenbedingungen für einen sinnvollen Einsatz geschaffen werden müssen. Die Ideen reichen über die Hinterlegung eines Blockchain Private Key auf dem Personalausweis bis hin zur Verleihung von Rechtssubjektivität für Roboter und künstliche Intelligenz, damit diese selbstständig handeln können. In jedem Fall wird sich auch die Immobilienbranche mit dem Thema Blockchain beschäftigen müssen.

Kontakt

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an:

  • Dr. Mathias Hain
    Dr. Mathias Hain
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