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Prozesslandkarte

Fragen Sie mal Ihren Bäcker, wie lange er braucht, um ein Brötchen zu verkaufen, im Durchschnitt über mehrere Monate gerechnet. Er wird es Ihnen höchstwahrscheinlich nicht beantworten können. Nach einigem Nachdenken und Nachrechnen wird er vielleicht ausrechnen, wie viele Brötchen er am Tag verkauft, wie viel Zeit seine Verkäufer dazu im Laden verbringen und kommt so in etwa auf einen Wert. Aber die Verkäufer verkaufen ja nicht nur Brötchen. Sie bereiten Kaffee vor und bringen ihn zu den Kunden, sie räumen auf, machen sauber, gehen ans Telefon etc.

All diese Schritte sind Prozesse, die beim Bäcker ablaufen. Es ist verblüffend, wie die alltäglichsten Dinge, die offenkundig funktionieren, nur schwer zu beschreiben oder zu beziffern sind.

Die Wohnungswirtschaft widmet sich diesem Thema zunehmend. In den letzten Jahren haben wir einen starken Fokus auf Prozesse miterlebt. Auch Ritterwald ist hier natürlich aktiv. Das Ziel einer Prozesserfassung und der weiteren Arbeit mit Prozessen ist in der Regel, Abläufe zu verstehen und dann zu verbessern, wobei eine Verbesserung eine Effizienzsteigerung genauso ist wie eine Erhöhung der Qualität oder eine angenehmere Gestaltung der Arbeitsabläufe aus Sicht der Mitarbeiter, um drei wesentliche Beispiele zu nennen. Sind die Prozesse erfasst und mit Zeitstempeln versehen, kann der Bäcker die ihm oben gestellte Frage beantworten und weiß darüber hinaus auch, wie viel Zeit für das Wegfegen von Brotresten und zur Bedienung der Schneidemaschine notwendig ist, jeweils in Summe und pro Vorgang. Auch in der Wohnungswirtschaft wird ein detailliertes Prozesswissen zunehmend zum Standard. Nicht zuletzt die Digitalisierung zwingt viele Unternehmen dazu, ihre Prozesse genau zu kennen um Anforderungen an Software-Lösungen zu formulieren, Ergebnisse einer Prozessveränderung zu planen und nachzuhalten sowie um Stellen ausschreiben zu können in einem zunehmend kompetitiven Arbeitsmarkt.

Über die Jahre durften wir viele Prozesse unserer Kunden kennen lernen. Da wir auch internationale Kunden haben, haben wir dort auch kundenspezifische Prozesse kennengelernt. Ein wiederkehrendes Thema ist die Einzigartigkeit der eigenen Prozesse: Die spezifische Konfiguration der IT-Systeme, das Zusammenspiel der verschiedenen Abteilungen und ggf. historisch gewachsene Strukturen sind die Gründe, die angeführt werden um zu argumentieren, dass beispielsweise die Vermietung nirgendwo genauso funktioniert wie im vorliegenden Fall. Je detaillierter man Prozesse betrachtet, desto richtiger ist diese Aussage. Wenn man wirklich jeden einzelnen Schritt erfasst, die Reihenfolge der Schritte aufnimmt, die genutzten IT-Systeme, den ausführenden Mitarbeiter usw., dann sind tatsächlich alle Prozesse einzigartig. Je mehr man jedoch abstrahiert, desto vergleichbarer werden die Prozesse. Zum Beispiel: Auslöser und Ergebnis eines Vermietungsprozesses sind in der Regel die gleichen, egal wie der nachgelagerte Prozess aussieht: Wohnung ist in absehbarer Zukunft leer (aus welchem Grund auch immer) als Auslöser und Wohnung ist vermietet als Ergebnis. Auch die Tätigkeiten im Prozess, wenn nur abstrakt genug ausgedrückt, sind meistens die gleichen: Wohnung vermarkten – Interessenten einladen – Besichtigung durchführen – Vertragsunterlagen sichten – Vertrag unterzeichnen – Wohnung übergeben. Diese Elemente werden in so gut wie jedem Vermietungsprozess vorkommen. Wie sie genau ablaufen ist mit Sicherheit unterschiedlich, dass sie aber ablaufen, daran besteht kein Zweifel.

Wie das Beispiel des Vermietungsprozesses verdeutlicht, gibt es also ein Abstraktionsniveau, ab dem Prozesse vergleichbar werden. Das höchste Abstraktionsniveau in der Prozessarbeit ist die Prozesslandkarte. Sie ahnen es schon, wir stellen die These auf, dass diese so gut wie immer gleich ist. Wir sind auch nicht die ersten, die auf diesen Gedanken kommen. Ein Blick über die Grenze nach Holland macht klar, dass hier nicht nur dieser Gedanke ebenfalls gefasst, sondern bereits seit Jahren umgesetzt wurde. CORA ist das Stichwort. Es steht für COrporatie Referentie Architectuur und existiert mittlerweile auch in englischer Form als CORA UK. Hinter CORA verbirgt sich eine Referenzarchitektur, die über die reine Prozessbetrachtung weit hinausgeht. So gibt es beispielsweise auch eine einheitliche Nomenklatur, wenn es um IT geht, namentlich vor allem um ERP Systeme. Der Gedanke ist, dass eine gemeinsame Sprache das Auftreten gegenüber den IT-Dienstleistern erleichtert und so zu Ersparnissen für alle Beteiligten führt. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Wohnungsunternehmen A nennt seine Wohnungen Wohneinheiten, Unternehmen B spricht von Nutzeinheiten und Unternehmen C sagt Wirtschaftseinheiten. Unternehmen A kennt den Begriff Wirtschaftseinheit auch, meint damit aber etwas Anderes. Der Gedanke hinter CORA ist nun der, sich zu einigen, was genau mit diesen Begriffen jeweils gemeint ist. Zu Ende gedacht lässt sich so die gesamte Sprache der Bewirtschaftung vereinheitlichen und damit natürlich auch das zugrundeliegende Datenmodell.

Die CORA Prozesslandkarte (im englischen Original) haben wir ebenfalls abgebildet. Mit ein wenig Abstraktionsvermögen kann man auch auf ihr die Prozesse wiedererkennen und zuordnen, die wir in Deutschland kennen. Allerdings ist unsere deutsche wohnungswirtschaftliche Welt etwas anders aufgebaut. CORA wird regelmäßig angepasst und aktualisiert, der hier vorliegende Stand ist die Version 1.13 vom Januar 2016, der letzte uns bekannte Stand, der auf Englisch vorliegt.

CORA UK Framework

Abbildung 1: CORA UK Framework Version 1.13
ASB = Anti Social Behavior

Soweit sind wir in Deutschland noch nicht. Aber eine einheitliche Prozesslandkarte ist kein Hexenwerk und wir haben einen Vorschlag mitgebracht:

Nähern wir uns dem Thema aus der Makroperspektive. Zunächst unterscheidet man drei Prozessebenen: Führungsprozesse dienen dem Management in der Steuerung des Unternehmens. Die Kernprozesse befassen sich grundsätzlich mit Abläufen, die der Wertschöpfung des Unternehmens dienen. I.d.R. findet hier Kundenkontakt statt oder es werden Produkte hergestellt. Abschließend die Unterstützungsprozesse, welche selbst keinen direkten Kundennutzen erzeugen, aber für das Unternehmen dennoch notwendig sind.

Der Fokus hier liegt natürlich auf den Kernprozessen. Am Anfang, im Zentrum und am Ende steht das Gebäude. Dieses muss zunächst irgendwo herkommen. Die erste Art von Prozessen befasst sich also mit der Anschaffung der Gebäude, mit der Aufnahme ins Portfolio. Dabei werden die Gebäude entweder gekauft oder mit Hilfe von Bauunternehmen gebaut. Das Portfoliomanagement ist die übergeordnete Tätigkeit, die gerade bei der Erweiterung des Portfolios eine tragende Rolle spielt.

Ist das Gebäude im Bestand, wird es bewirtschaftet. Gerade in der Bewirtschaftung lassen sich wahrscheinlich mehrere hundert Einzelprozesse identifizieren. Aber auch hier hilft der Blick aus der Helikopterperspektive: Bestände werden kaufmännisch und technisch betreut, es findet ein Mieterwechsel statt und Bestandsinvestitionen werden durchgeführt. Außerdem wird das Facility Management durchgeführt. Auch wenn letzteres häufig ganz oder in Teilen fremdvergeben wird, ist es Teil der Kernprozesse in der Bewirtschaftungsphase.

Letztlich will man sich von dem Gebäude ggf. auch wieder trennen. Hier findet also ein Verkaufsprozess statt.

Kurz zu den Führungs- und Unterstützungsprozessen: Wiederkehrende Themen hier sind Planungsprozesse, Personalmanagement, Finanzierung, Rechnungswesen, Recht, IT und Organisation. Es gibt hier keine reine Lehre um Prozesse der Führung oder der Unterstützung zuzuschlagen. In der Praxis werden die Planung und das Personal häufig den Führungsprozessen zugeschlagen.

Diese einfache Karte bildet alle wesentlichen Prozesse der Wohnungswirtschaft ab. Unsere Kunden haben eine Vielzahl Prozesslandkarten, die mal mehr, mal weniger entfernt von unserem Vorschlag sind. Diese Entfernung ist dabei keine Aussage zur Güte der Prozesslandkarte. Dennoch ließe sich mit einem gemeinsamen Verständnis ein deutlicher Mehrwert erzielen. Dazu möchten wir unseren Beitrag leisten.

Soweit sind wir in Deutschland noch nicht. Aber eine einheitliche Prozesslandkarte ist kein Hexenwerk und wir haben einen Vorschlag mitgebracht:

Nähern wir uns dem Thema aus der Makroperspektive. Zunächst unterscheidet man drei Prozessebenen: Führungsprozesse dienen dem Management in der Steuerung des Unternehmens. Die Kernprozesse befassen sich grundsätzlich mit Abläufen, die der Wertschöpfung des Unternehmens dienen. I.d.R. findet hier Kundenkontakt statt oder es werden Produkte hergestellt. Abschließend die Unterstützungsprozesse, welche selbst keinen direkten Kundennutzen erzeugen, aber für das Unternehmen dennoch notwendig sind.

Der Fokus hier liegt natürlich auf den Kernprozessen. Am Anfang, im Zentrum und am Ende steht das Gebäude. Dieses muss zunächst irgendwo herkommen. Die erste Art von Prozessen befasst sich also mit der Anschaffung der Gebäude, mit der Aufnahme ins Portfolio. Dabei werden die Gebäude entweder gekauft oder mit Hilfe von Bauunternehmen gebaut. Das Portfoliomanagement ist die übergeordnete Tätigkeit, die gerade bei der Erweiterung des Portfolios eine tragende Rolle spielt.

Ist das Gebäude im Bestand, wird es bewirtschaftet. Gerade in der Bewirtschaftung lassen sich wahrscheinlich mehrere hundert Einzelprozesse identifizieren. Aber auch hier hilft der Blick aus der Helikopterperspektive: Bestände werden kaufmännisch und technisch betreut, es findet ein Mieterwechsel statt und Bestandsinvestitionen werden durchgeführt. Außerdem wird das Facility Management durchgeführt. Auch wenn letzteres häufig ganz oder in Teilen fremdvergeben wird, ist es Teil der Kernprozesse in der Bewirtschaftungsphase.

Letztlich will man sich von dem Gebäude ggf. auch wieder trennen. Hier findet also ein Verkaufsprozess statt.

Kurz zu den Führungs- und Unterstützungsprozessen: Wiederkehrende Themen hier sind Planungsprozesse, Personalmanagement, Finanzierung, Rechnungswesen, Recht, IT und Organisation. Es gibt hier keine reine Lehre um Prozesse der Führung oder der Unterstützung zuzuschlagen. In der Praxis werden die Planung und das Personal häufig den Führungsprozessen zugeschlagen.

Diese einfache Karte bildet alle wesentlichen Prozesse der Wohnungswirtschaft ab. Unsere Kunden haben eine Vielzahl Prozesslandkarten, die mal mehr, mal weniger entfernt von unserem Vorschlag sind. Diese Entfernung ist dabei keine Aussage zur Güte der Prozesslandkarte. Dennoch ließe sich mit einem gemeinsamen Verständnis ein deutlicher Mehrwert erzielen. Dazu möchten wir unseren Beitrag leisten.

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