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Green Bonds

Grüne Anleihen in der Wohnungswirtschaft
Eine Untersuchung von Vorteilen und Verbreitung grüner Anleihen als nachhaltiges Finanzierungsinstrument bei deutschen Wohnungsunternehmen

  • Lutz Rittig
    Lutz
    Rittig

Klimaziele, energetische Wohnungssanierung, hohe Investitionsbedarfe – auch die Wohnungswirtschaft ist vom politisch und gesellschaftlich angestrebten Ziel der Klimaneutralität betroffen. Nicht zuletzt aufgrund des bedeutenden Anteils des Gebäudesektors an den deutschen CO2-Emissionen besteht Handlungsbedarf. Zeitgleich mit den dafür erforderlichen Finanzierungsvolumina haben in den vergangenen Jahren sogenannte „grüne“ Anleihen oder „Green Bonds“ immer stärker Einzug in die Finanzierung von Unternehmen und auch Staaten gehalten. In diesem Kontext hat RITTERWALD folgende Fragestellungen untersucht: Nutzt die deutsche Wohnungswirtschaft grüne Anleihen? Lässt sich ein Zinsvorteil aus der Ausgabe grüner ggü. konventioneller Anleihen erzielen? Und welche strategischen Überlegungen sollten im Hinblick auf die Nutzung grüner Anleihen berücksichtigt werden? Für folgende Untersuchung hat RITTERWALD Jahresabschlüsse und weitere öffentlich verfügbare Informationen zu den Top 50 Unternehmen der deutschen Wohnungswirtschaft näher beleuchtet.

Klimaschutz und der Immobiliensektor

Bei der Klimakonferenz 2015 in Paris wurde von den teilnehmenden Staats- und Regierungschefs das Ziel formuliert, die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 auf maximal 2°C gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Um diesen Wert nicht zu überschreiten, ist eine substanzielle Reduktion der CO2-Emissionen in allen Bereichen unumgänglich. Neben der industriellen Produktion und des Verkehrs verursacht der Gebäudesektor mit rund 30% einen wesentlichen Anteil der deutschen Gesamtemissionen1.

Bei Betrachtung des Wohngebäudebestands wird deutlich, dass in der Kombination aus fortgeschrittenem Baualter und begrenzten Sanierungsaktivitäten ein Grund für den hohen CO2-Anteil des Gebäudesektors zu vermuten ist. Rd. 82% der Wohngebäude wurden vor 1978 errichtet und der Anteil der unsanierten bzw. teilsanierten Wohngebiete liegt bei 87,3%2. Je nach Zustand des Gebäudes kann durch fachgerechte Sanierung und moderne Gebäudetechnik bis zu 80% des Energiebedarfs eingespart werden.3

Aus diesen Gründen besteht in der Politik als auch in der öffentlichen Wahrnehmung ein dringender Handlungsbedarf im Gebäudesektor zur Erreichung der nationalen Klimaziele.

Verbreitung „grüner Anleihen“ in der Wohnungswirtschaft

Für die Wohnungswirtschaft stellt sich mit den aufkommenden Investitionsprojekten für Sanierung und Neubau auch die Frage der geeigneten Finanzierungsinstrumente. Neben den klassischen Finanzierungsinstrumenten der (Konsortial-)Bankkredite und konventionellen börsengehandelten Unternehmensanleihen hat sich in jüngster Vergangenheit eine neue Asset-Klasse gebildet, die inzwischen nicht mehr als Nischenprodukt angesehen werden kann: sogenannte „grüne“ Anleihen (Green Bonds). 2013 in Deutschland erstmals ausgegeben, lag das Gesamtvolumen in Deutschland emittierter grüner Anleihen bis 2020 bei 41,8 Mrd. USD.4 Darüber hinaus werden inzwischen auch „Social“, „Sustainable“ und „Sustainability-Linked“ Bonds emittiert (siehe nähere Erläuterung in Abbildung 1). Deren kumuliertes Emissionsvolumen ist jedoch deutlich geringer.

Abgrenzung zwischen grünen, sozialen, nachhaltigen und nachhaltigkeitsbezogenen Anleihen

Die führenden Standards zur Definition grüner, sozialer, nachhaltiger und an Nachhaltigkeitsziele geknüpfte Anleihen wurden von der International Capital Market Association (ICMA) in Zusammenarbeit mit der Loan Market Association (LMA) herausgegeben.

Demnach definieren sich die verschiedenen Anlagetypen folgendermaßen:5

Verschiedene Unternehmen aus dem produzierenden Bereich (bspw. Henkel als erstes deutsches Unternehmen 2018, zuletzt u.a. Autobauer wie Daimler und VW im Jahr 2020) nutzen inzwischen grüne Anleihen für grüne Projekte.

Für die Wohnungswirtschaft bieten grüne Anleihen die Möglichkeit, klimabezogene Investitionen unter Berücksichtigung der vorgegebenen Standards zu finanzieren und zeitgleich ein sichtbares Signal für die eigenen Klimaschutzbemühungen zu setzen.

Um einen Einblick über die Beteiligung der deutschen Wohnungswirtschaft im Green-Bond-Markt zu bekommen, hat RITTERWALD die Emissionen der 50 größten Wohnungsunternehmen in Deutschland unter die Lupe genommen.

Die Analyse hat ergeben, dass gerade einmal 6% der untersuchten Unternehmen bislang eine grüne Anleihe emittiert haben (Abb. 2). Diese sind:

Darüber hinaus hat Volkswagen Immobilien (nicht innerhalb der Top 50) bereits im Mai 2018 und im April 2019 jeweils grüne Anleihen mit einem Volumen von 107 Mio. bzw. 60 Mio. EUR erfolgreich am Markt platziert.

Gründe für das geringe bisherige Engagement könnten in bestehenden Eintrittsbarrieren liegen. Für eine Klassifizierung als „grüne Anleihe“ müssen entsprechende Standards der zertifizierenden Agenturen eingehalten und nachgewiesen werden. Zur Sicherstellung ausreichender Transparenz für potenzielle Investoren muss der Emittent üblicherweise zur Verwendung der Emissionserlöse Stellung beziehen und das Verfahren für die Bewertung und Auswahl grüner Investitionsprojekte beschreiben. Weiterhin müssen die Finanzierungszuflüsse gesondert verwaltet und jährlich ein Reporting zur Information über die Investitionen erstellt werden.6

Je nach Größe des Wohnungsunternehmens kann das Emissionsvolumen für eine grüne Anleihe nicht im Einklang mit einer ausbalancierten Finanzierung stehen (Finanzierungsmix, Fälligkeitsprofil) und damit ein Eintrittshindernis darstellen. In diesem Falle wäre die Möglichkeit einer Finanzierung über bspw. Banken prüfenswert, welche durch die eigene Ausgabe grüner Anleihen als potenzielle Finanzierer infrage kommen könnten. Beispielhaft seien an dieser Stelle die bereits mehrfach emittierenden Hypothekenbanken BerlinHyp oder Deutsche Hypo genannt, welche grüne Pfandbriefe im mittleren dreistelligen Millionenbereich ausgeben.7

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle genannt, dass die Emission der LEG Immobilien ein „sustainable bond“ und die der Gewobag ein „social bond“ waren (beide im Juni 2021 ausgegeben). RITTERWALD begleitete Gewobag im Vorfeld der Anleihebegebung durch Prüfung und Ausstellung mit dem „Certified Sustainable Housing Label“.

Existenz und Höhe des „Greeniums“

Hohe Relevanz neben der Realisierbarkeit einer grünen Anleihe sind die Finanzierungskonditionen, die mit einer Emission einhergehen. Vielfältig diskutiert wird die Existenz eines „Greeniums“, welches einen Zinsvorteil von grünen Anleihen ggü. konventionellen Anleihen beschreibt.

Für eine verzerrungsfreie Analyse sind folgende Voraussetzungen erforderlich:

  • Ein und derselbe Emittent muss
  • zum gleichen Zeitpunkt
  • eine grüne und eine konventionelle Anleihe emittieren mit
  • gleicher Laufzeit und damit gleicher Fälligkeit,
  • gleichem Kupon und
  • gleichem Volumen

Diese Voraussetzungen erfüllt keines der oben aufgeführten deutschen Wohnungsunternehmen. Der von der deutschen Finanzagentur in Umsetzung befindliche Aufbau einer grünen Zinskurve kommt bei einzelnen Anleihen den genannten Bedingungen am nächsten. Für die 5-Jahres-, 10-Jahres und 30-Jahresanleihe bestehen sogenannte konventionelle Zwillingsanleihen mit gleicher Fälligkeit, Laufzeit und gleichem Kupon.8

Folgende Abbildung stellt die Renditen (Yields) der konventionellen und grünen Bundesanleihen gegenüber. Die Renditedifferenz schwankt zwischen drei und sieben Basispunkten, der Unterschied zwischen den Anleihetypen liegt insbesondere in der unterschiedlichen Mittelverwendung. Auf dieser Basis könnte die Yield-Differenz als „Greenium“ bezeichnen. Unter der Annahme keiner weiterer Einflussfaktoren könnte für Wohnungsunternehmen ebenfalls ein Greenium in dieser Größenordnung vorstellbar sein. Die Finanzierung über grüne Anleihen hätte daher vorteilhafte Zinskonditionen.

Strategische Überlegungen bzgl. grüner Anleihen

Das aktuell am Markt realisierbare Greenium ist – wie eben gezeigt – sichtbar, jedoch sind die absoluten Effekte für eine grüne Finanzierung begrenzt. Die bereits beschriebenen Eintrittskosten könnten weiterhin das Engagement deutscher Wohnungsunternehmen am grünen Anleihemarkt hemmen. Auch sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich meist nur Neubauprojekte für eine grüne Finanzierung qualifizieren.

Perspektivisch sollten jedoch auch Konsequenzen aus veränderten Rahmenbedingungen in die Finanzierungsdiskussion Einzug finden. Druck von Politik, Investoren und Mietern können verstärkten Neubau und/oder umfangreiche energieeffiziente Sanierungen erwirken und in der Folge grüne Anleihen zu einem Standardinstrument zur Finanzierung deutscher Wohnungsunternehmen werden lassen. Die Eintrittskosten wären in der Folge keine außergewöhnlichen, sondern gewöhnliche Kosten eines Wohnungsunternehmens.

Die Push-Faktoren näher beschrieben:

  • Der politische Druck resultiert aus dem Willen zur Erreichung der nationalen Klimaziele. In Abhängigkeit der kommenden Bundestagswahl im September und auch der darauffolgenden Wahlen ist die Verkürzung des Zeitraums für die Zielerreichung möglich.
  • Der Druck von Investorenseite erwächst aus dem Bedürfnis, Projekte mit nachhaltig positiven Effekten für Umwelt und Gesellschaft zu finanzieren. Dazu ist ein geringerer Wertzuwachs wenig energieeffizienter Wohnungsportfolios erwartbar.
  • Der mieterbezogene Druck entsteht u.a. durch die aktuell vorgesehene vollständige Umlagefähigkeit der CO2-Steuer auf die Mieter. Wenig energieeffiziente Wohnungen werden im Rahmen der Nebenkostenabrechnung teurer und werden daher aus finanziellen Gesichtspunkten weniger attraktiv. An diesem Grundsatz würde auch eine Rückkehr zur vorher diskutierten hälftigen Aufteilung der CO2-Steuer zwischen Mieter und Vermieter nichts ändern.

Die Prüfung und darauffolgende Emission grüner Anleihen erweitert das Finanzierungsinstrumentarium für die deutschen Wohnungsunternehmen und ermöglicht weithin sichtbare Signalwirkung, zur Erreichung der nationalen Klimaziele beizutragen.

Fazit

Die deutsche Wohnungswirtschaft ist bisher mit wenigen Emissionen im inzwischen etablierten Markt für grüne Anleihen vertreten. Bis einschließlich Juni 2021 haben lediglich drei der Top50 Wohnungsunternehmen grüne Anleihen begeben. Dies lässt sich z.T. auf Eintrittsbarrieren (bspw. Zertifizierung, höhere Reportinganforderungen) zurückführen, eine vollumfängliche Erklärung stellt dies jedoch nicht dar.

Die Frage der Existenz eines Greeniums – das heißt ein Zinsabschlag für grüne Finanzierungen – kann anhand der Zwillingsanleihen der Deutschen Finanzagentur mit „Ja“ beantworten werden. Der Abschlag beträgt laufzeitspezifisch zwischen drei und sieben Basispunkten, sodass aus finanzieller Sicht ein Anreiz zur Ausgabe grüner Anleihen abgeleitet werden kann.

Losgelöst von der Frage der finanziellen Vorteilhaftigkeit wird eine strategische Diskussion zur Nutzung grüner Anleihen angeregt. Zur Bewältigung des Drucks vonseiten der Politik, Investoren und Mietern sind grüne Anleihen eine Selbstverpflichtung und gleichzeitig klares Signal an alle Stakeholder, zur Erreichung der Klimaziele engagiert beizutragen.

Kontakt

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  • Dr. Mathias Hain
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  • Lutz Rittig
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    • + 49 69 / 78 80 88 02 10

1 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2020): Klimaschutz in Zahlen

2 Umweltbundesamt (2019): Wohnen und Sanieren

3 Bundesregierung

4 Climate Bond Initiative (2021): Sustainable Debt – Global state of the market

5 ICMA Bond Principles

6 ICMA Bond Principles

7 Climate Bond Initiative (2019): Lagebericht Deutschland

8 Deutsche Finanzagentur